Tag 48 – Vor dem letzten Riesen

Als wir heute Morgen vor der Bäckerei standen, war auf einem Zettel zu lesen, dass sie bis Ende der Woche wegen Urlaub geschlossen sei. Wir gönnten dem Bäcker oder der Bäckerin den Urlaub sehr und freuten uns, dass zumindest ein kleines Lebensmittellädchen geöffnet hatte. Hier gab es alles was wir brauchten, wenn auch zu ziemlich hohen Preisen. Wir beschlossen, nur so viel einzukaufen, dass wir bis zum Nachmittag klar kämen und wollten den Rest bei der Ankunft in Sault besorgen.

Andreas wechselte nach dem Frühstück am Tandem noch vorne und hinten die Bremsbeläge. Sie waren alle fällig.

Wir haben jetzt fünf Sätze Bremsbeläge, einen Fahrradmantel, eine Kette, einen neuen Bremshebel und eine neue Speiche gebraucht. Wenn jetzt nicht noch ein Defekt kommt, müssten wir nach Hause kommen, ohne nochmal Ersatzteile einkaufen zu müssen. Aber: fertig ist, wenn’s fertig ist. Wir sind noch nicht daheim – es sind noch knappe 900 Kilometer…

Auf unserer Fahrt nach Sault fanden wir heute nicht nur Feigen, sondern zur Abwechslung mal Brombeeren, von denen wir naschen konnten. Für Essbares gibt es keine Sammelbeschränkung 😉. Allerdings nahmen wir keine Brombeeren mit, weil sie zu schnell vermatschen, sondern aßen direkt vom Strauch was reif war und bis wir genug hatten.

Der Weg heute war richtig schön. Rechts und links der schmalen Straße gab es immer wieder Olivenbäume oder Lavendelfelder. Und es roch auch immer wieder nach Kräutern. Kräuter der Provence eben! Die Straße war sehr ruhig. Es kamen nur wenige Autos. Wir genossen die Gerüche und die Stille.

Die Temperatur war perfekt. Es war weder heiß noch kalt, sondern einfach sehr angenehm. Es blies dazu ein leichter Wind. Man musste sich nur unbedingt eincremen. Durch den Wind merkte man nämlich nicht, dass die Sonne trotzdem kräftig auf die Nase brannte. Andreas sträubt sich meist, sich einzucremen, aber seit sich seine Nase einmal komplett schälte, lässt er zumindest zu, dass die eingecremt wird.

In der Mittagspause beobachteten wir eine Ameise, die eine tote Fliege wegschleppte, die sehr viel größer war als sie selbst. Die Ameise war trotzdem erstaunlich schnell mit ihrer Last. Zwar hat man das irgendwann mal gehört, dass Ameisen das zigfache ihres eigenen Gewichts schleppen können, aber es mit eigenen Augen zu sehen war trotzdem spannend.

Irgendwann am frühen Nachmittag tauchte er vor uns auf: der Mont Ventoux. Der Berg, den tausende von Radfahrern jedes Jahr von einer der drei asphaltierten Seiten emporstrampeln.

Wir sind ihn zwar schon zweimal mit dem Tandem gefahren, aber noch nie mit Reisegepäck – und erst recht nicht mit einem Anhänger.

An einer Aussichtsplattform trafen wir auf eine Engländerin und einen Engländer. Mit der Frau unterhielten wir uns eine ganze Weile während er eine Zeichnung anfertigte. Die Frau erklärte uns, dass er Künstler sei und ein Haus in der Provence besitze.

In Sault gingen wir in ein Café und überlegten, wo wir heute Abend den Turtle aufstellen könnten. Wir landeten am späten Nachmittag auf dem kostenlosen Wohnmobilstellplatz. Den Duschsack konnten wir hier allerdings nicht aufhängen. Wir mussten heute in einer ruhigen Ecke die „Kretschmann-Empfehlung“ anwenden.

Als alles aufgebaut war, wollten wir noch einkaufen gehen, aber unser „Nachbar“ erklärte, die Geschäfte hätten hier heute Nachmittag alle geschlossen. Warum wisse er auch nicht. Das war etwas blöd, denn eigentlich wollten wir morgen ziemlich früh Richtung Berg aufbrechen und vorher alles eingekauft haben, was wir für den Tag brauchen. Etwas Bezahlbares kommt nämlich erst, wenn man auf der anderen Seite wieder unten ist.

Und auch für den Abend hätten wir gerne noch eine Kleinigkeit besorgt.

Dann kam unser Nachbar mit zwei Flaschen Mineralwasser um die Ecke und seine Frau teilte mit, sie würde uns ein paar Tortellini warm machen. Das war super freundlich und es schmeckte köstlich. Es macht uns zwar nichts aus, auf der Reise meist nur kalt zu essen, aber wenn wir mal eine warme Mahlzeit haben, schätzen wir die sehr.

Tageskilometer: 35

Höhenmeter: 702


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2 Kommentare zu “Tag 48 – Vor dem letzten Riesen”

  1. Mal ne Frage an Andreas, warum nimmst du die alten Bremsbeläge mit? Abgefahren ist doch abgefahren.
    Euch morgen viel Kraft für den Mont Ventoux.

    Wir mussten uns heute nicht eincremen, in Nordhessen ist es eher feucht. Aber das Wetter wird morgen schon wieder besser.

    1. Hallo Reiner, die Bremsbeläge haben wir natürlich in den Müll geschmissen. Das Bild entstand direkt nach dem Wechsel, bevor sie in den Müll kamen.

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