Nachts um 1 Uhr wurden wir geweckt. Und zwar von einem Gewitter, begleitet von heftigem Regen. Weil der Turtle ja nicht abgespannt war und der Wind ordentlich dagegen blies, musste Andreas von innen dagegen drücken. Mir fielen Gunnars Worte ein:“Stellt den Turtle in den Wind.“ Unser Turtle präsentierte dem Wind aber die volle Breitseite. Und auch Martins Frage fiel mir ein: „Kann der Turtle eigentlich schwimmen?“
Das fanden wir zum Glück nicht heraus. Es blieb alles stehen und heil. Wir waren wahnsinnig froh, gestern Abend noch unter das riesige Dach umgezogen und dadurch schon wieder glimpflich davongekommen zu sein.
Der gelbe Punkt sind wir: mittendrin!
Am Morgen, zum Frühstück, war alles wieder vorbei und der Tag präsentierte sich von seiner schönsten Seite. Die Luft war angenehm kühl und wir starteten gut gelaunt in den Tag.
Wir radelten vor uns hin und in einem kleinen, verschlafenen Ort tranken wir einen 11-Uhr-Kaffee.
Unser Tandem wurde von allen Seiten in Augenschein genommen und drei Männer positionierten sich, als wir aufbrechen wollten, extra so, dass sie gut sehen konnten, wie wir aufsteigen und anfahren. Vielleicht erwarteten sie, dass man mit so einem Monster doch sicher umkippen müsse.
Kirchen scheinen uns ja magisch anzuziehen und meistens ist der Friedhof auch direkt daneben oder dahinter. Jedenfalls nie weit weg. Heute fiel uns einer der Friedhöfe auf, weil er riesige Familiengruften hatte. Jede einzelne war so groß wie eine kleine Kapelle. In der Vielzahl auf einem einzigen Friedhof hatten wir das bisher noch nicht wahrgenommen.
Als wir gegen Mittag an einem Brunnen vorbei kamen, nutzten wir die Gelegenheit, uns etwas zu erfrischen und Andreas fand, dass er auch prima als Turtle-Waschanlage geeignet war.
Die Mittagspause verbrachten wir in einem kleinen Park. Vorher haben wir ein paar Lebensmittel eingekauft und die ließen wir uns auf einem Bänkchen im Schatten eines Baumes schmecken.
Auf einmal kam ein mittelgroßer Hund und schob seine Schnauze in Richtung unserer Teller. Er war angeleint und sein Herrchen sagte ihm offenbar, dass er nichts von unserem Essen haben könnte und mitkommen solle. Stattdessen legte sich der Hund neben unsere Bank und war nur mit viel Gezerre von Seiten des Herrchens wieder zu entfernen.
In Biella wollte Andreas eigentlich in Radgeschäften nach einer Kupplung schauen. Aber es hatten alle Radläden und überhaupt die meisten Geschäfte geschlossen. Stattdessen bekam Andreas in einer Autowerkstatt Kabelbinder.
Damit hat es heute ganz gut funktioniert. Die Kupplung hat kaum einen Mucks gemacht. Vor zwei Tagen hat sie sich angehört, als würde jeden Moment alles da hinten abreißen. Wir werden es weiter beobachten. Gunnar hat sofort angeboten, eine neue Kupplung nach Nizza zu schicken. Ein herzliches Dankeschön an Gunnar für das spontane Hilfsangebot.
Von Biella aus wollten wir unsere Route ein wenig ändern, aber auf der Strecke war ein Tunnel und Komoot weigerte sich vehement, durch diesen hindurch zu planen. Hingegen hatte die Fahrradeinstellumg von Googlemaps überhaupt kein Problem damit. Wir wollten aber nicht riskieren, ein großes Stück zurück fahren zu müssen, falls der Tunnel doch für Fahrradfahrer gesperrt sein sollte.
Wir sahen ein Carabinieri-Auto und dachten, das seien ja so eine Art Polizisten. Die müssten das ja wissen. Wir sprachen sie an und weil sie es selbst nicht wussten, telefonierten sie rum, um in Erfahrung zu bringen, ob man mit dem Rad nun durch den Tunnel fahren darf, oder nicht.
Nach geschlagenen 15 Minuten bekamen wir grünes Licht. Es sei mit dem Fahrrad kein Problem.
Eine gute Stunde später (nach einer Fahrt bergauf) standen wir vor dem Tunnel. Und vor einem unübersehbaren Verbotsschilder für Fahrradfahrer!! Was jetzt? Wir hatten beide absolut keine Lust, einen riesigen Umweg und noch dazu mit noch mehr Steigung zu fahren. Also zog ich die Warnweste an, wir machten alle Lichter am Rad und Hänger an und düsten durch (so schnell wir es eben vermochten). Nach dem Tunnel wähnten wir uns auf der sicheren Seite, aber es kam nochmal ein Verbotsschild für Radfahrer, welches wir auch ignorierten, zumal eine super Abfahrt ins Aosta-Tal folgte.
Im Tal machten wir uns schon bald auf die Suche nach einem Übernachtungsplatz und fanden wieder einen Campo Sportivo. Duschen, Toiletten, Strom: alles da – bis auf ein Dach. Und es war wieder ein Gewitter angekündigt. Letzte Nacht hat es in der Nähe von Turin eine Schlammlawine gegeben…
Also überlegten wir, einfach die Luftmatratzen in den Umkleideraum zu legen und da zu nächtigen. Tandem und Turtle mussten angekettet im Freien stehen bleiben.
Tageskilometer: 73
Höhenmeter: 678
Das mit den Mausoleen auf dem Friedhof ist im Prinzip das gleiche wie das mit den Traktoren in Fautenbach oder Wooserscht 😉