In dem Ort, in dem wir von gestern auf heute übernachtet hatten, gab es ein kleines Lädchen. Hier wollten wir uns etwas für das Frühstück kaufen. Der Ladenbesitzer, dem auch die angrenzende Bar gehörte, war am frühen Morgen schon richtig gut gelaunt. Sein schallendes Gelächter ging durch den ganzen Laden und war auch für seine Kundschaft ansteckend.
Wir hatten von gestern noch Brot, Butter und Marmelade, kauften bei ihm aber Milch und Kaffee dazu. Auch er forderte uns auf, doch am Tisch Platz zu nehmen und nicht nebenan auf einem Bänkchen zu sitzen.
Als er erfuhr, dass wir aus Deutschland kommen, erzählte er, dass sein Großvater Deutscher und seine Großmutter Französin war. Er selbst spreche aber kein Deutsch, was er bedauerte. Er sagte: „Mein Großvater war Deutscher, aber er hatte ein großes Herz!“
Auch Monsieur Schmidt hat wohl das Herz am rechten Fleck. An seiner Kaffeemaschine durfte ich heißes Wasser für unsere Instant-Nudeln rauslassen. Die würde es heute zum Mittagessen geben.


So wie es in Deutschland eine deutsche Fachwerkstraße gibt, gibt es scheinbar in Frankreich eine „Straße der strohgedeckten Häuser“ Wir konnten uns an den hübschen Häuschen gar nicht satt sehen. Viele dieser Häuschen und die dazugehörigen Gärten sehen wirklich ganz liebevoll gepflegt aus.




Heute hatten wir sogar das Glück, eine Weile beim Eindecken eines solches Daches zuschauen zu können.

Die Dachdecker erzählten, dass sie das Material aus Ungarn beziehen. Für ein Dach brauchen sie, je nach Größe des Hauses, ca zwei Monate.

Weil es heute ziemlich heiß war, versuchten wir, nicht zu lange in der Sonne zu stehen, sondern bei einem Stopp immer ein schattiges Plätzchen aufzusuchen.

Unser Weg führte uns heute Vormittag noch einige Kilometer an der Seine entlang. Dann bogen wir aber ab und werden sie erst auf dem Nachhauseweg in Paris wieder treffen.

Zwar sind uns die Dörfer insgesamt lieber, aber wir fahren zwischendurch auch gerne durch kleinere französische Städtchen, sehen dem Treiben eine Weile zu, machen ein Päuschen und freuen uns dann, wieder in der ländlichen, deutlich ruhigeren Gegend zu radeln.


Für unser Mittagessen hatten wir ja morgens schon die Nudeln vorbereitet. Wir mussten dann nur noch ein paar Tomaten-, Gurkenstücke und etwas Thunfisch in Tomatensoße dazugeben und schon hatten wir ein (fast richtiges 😉) Mittagessen.

Abends fanden wir einen relativ ruhigen Platz in einem kleinen Ort gegenüber der Kirche. Wir klingelten an dem Haus neben der Kirche, zeigten einem Mann unseren ausgesuchten Platz und fragten ihn, ob man dort zelten dürfe. Er meinte, das sei kein Problem, das würden ab und zu Leute tun. Er zeigte uns auch, wo wir Wasser bekämen. Er ging ins Haus zurück, kam aber noch mal raus und meinte, er würde in etwa einer halben Stunde zum Supermarkt fahren und ob wir etwas bräuchten. Er könnte einen von uns mitnehmen, damit wir einkaufen können. Andreas fuhr mit, um uns eine Kleinigkeit zum Abendessen zu holen.


Wir wurden übrigens gefragt, woher es kommt, dass viele Menschen so positiv auf uns reagieren und so hilfsbereit und freundlich sind. Ich habe mir das auch schon oft überlegt und gehe davon aus, dass es mehrere Gründe dafür gibt:
Zum Einen ist es ja erwiesen, dass man sich selbst gut fühlt, wenn man jemand anderem etwas Gutes tut. Zweitens denke ich, dass die Leute sofort sehen, dass wir mit unserer Bitte nach Wasser oder einem Plätzchen für unser Zelt keine Bedrohung darstellen und die Bitte leicht erfüllt werden kann. Drittens finden es die Leute super, dass wir mit einem Tandem unterwegs sind. Und wenn sie dann noch das Gepäck sehen und hören, wie weit wir damit kommen, finden sie uns noch dazu sehr mutig. Ich denke es rattert im Gehirn vieler Leute, ob sie so was auch gerne mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin unternehmen könnten oder wollten.
Und letztendlich landet man wieder beim ersten Punkt: Wer gibt, bekommt auch etwas zurück. Sowohl Hilfsbereitschaft als auch Dankbarkeit fühlen sich einfach gut an! Und wer will sich schon schlecht fühlen?

Tageskilometer: 95
Guten Morgen,macht weiter so 👍 grüße aus Oberachern
Super Bericht und schöne philosophische Analyse. 👍
Was bei den Gründen evtl. noch hinzukommt:
1) „die Franzosen“ lieben „under-dogs“. Wer harte Anstrengungen auf sich nimmt und dabei mit sich selbst im Reinen ist, hat einen festen Platz in deren Herzen (egal ob Gewinner oder nicht), siehe Raymond Poulidor.
2) Radfahrer die weitere Strecken zurücklegen erfahren eine ganz andere Wertschätzung als bei uns.
LG
Reinhold
Hier noch der Link zu den Gezeiten: https://de.tideschart.com/France/Normandy/Mont–Saint–Michel/
Ich habe mir auch noch einmal Gedanken gemacht, warum ihr so freundliche Begegnungen habt:
1. Es müssen archaische Gefühle bei den Menschen geweckt werden. Jeder Mensch könnte mit seinen eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten weit mehr erreichen, als es unsere zivilisierte Welt zu lässt. Der Mensch kann mit eigener Muskelkraft und Willen, Dinge bewegen und Ziele erreichen. Ich könnte zu einem in zwei Kilometer Entfernung befindlichen Supermarkt „zu Fuß“ einkaufen gehen. Aber ein Auto bringt mich bequemer und kraftsparender dort hin. Aber ist das natürlich? Soll es so sein, oder will das die Autoindustrie? Bitte nicht falsch verstehen…Vieles hilft uns heute besser zu Leben, aber wir entfernen uns immer mehr von unserem Ich! Daran werden wir vielleicht unbewusst erinnert, wenn man euch recht spartanischen daher kommen sieht. Ich könnte, bzw. Würde es auch gerne wollen, aber, aber,aber. Wir hätten viele abers,….doch keines wäre ehrlich…:)